geschrieben von Lukas Hansen

Aus Köln in die ganze Welt
Kompakt ist seit den 90ern eine feste Instanz in der Techno-Szene der Stadt – und über deren Grenzen hinaus

Aus Köln in die ganze Welt von Lukas Hansen

Wenn man – egal wo – Menschen auf Techno in Köln anspricht, dauert es nicht lange, bis von Kompakt die Rede ist. In der Werderstraße 15, etwas versteckt im Schatten des Rings, liegt der Plattenladen, der mittlerweile weitaus mehr ist als nur ein Shop für auf Vinyl gepresste elektronische Musik.

Hinter Kompakt steckt eines der bekanntesten Techno-Labels Deutschlands. DJs wie Kölsch, DJ Koze oder The Orb veröffentlichen ihre Tracks unter dem Namen Kompakt. Tausendfach werden sie gekauft.

Begonnen hat alles Anfang der 90er Jahre. Zu dieser Zeit gibt es bereits eine Handvoll auf elektronische Musik spezialisierte Plattenläden in Köln. Andere wie Groove Attack verkaufen zwar nicht hauptsächlich Techno-Platten, bestellen auf Wunsch aber auch mal elektronische Maxis mit.

Trotzdem entscheidet sich Wolfgang Voigt gemeinsam mit seinem Bruder Reinhard, Jürgen Paape und Jörg Burger einen weiteren Laden an der Gladbacher Straße zwischen Ring und Grüngürtel zu eröffnen. Delirium heißt der und ist ein Ableger eines erfolgreichen Record-Stores in Frankfurt. Am 1.März 1993 eröffnen sie. Ihr erster Kunde: Michael Mayer.

Mayer ist heute Mitinhaber von Kompakt und einer der einflussreichsten Techno-Musiker Deutschlands. Am 1. März 1993 steht er sehnsüchtig wartend vor dem Laden, weil er „Bock auf gute Musik“ hat. Drinnen ist er schnell ernüchtert, die Auswahl an Platten in Delirium ist ihm zu spärlich, der Stil der Musik nicht nach seinem Geschmack. „Da standen drei Kisten mit ein paar Platten rum. Das war einfach zu wenig“, erinnert er sich. Er meckert, kommt mit den Voigt-Brüdern, Paape und Burger, ins Gespräch. Sie verstehen sich gut, zwei Wochen später macht Mayer die ersten Bestellungen für Delirium, ein halbes Jahr später ist er Geschäftspartner.

Mit den Jahren expandiert Delirium, 1998 dann die Entscheidung: Die Inhaber gründen ein Label, benennen sich in Kompakt um. Der Grund: Die Musik, die Mayer und sein Team produzieren, entspricht nicht den Standards der Industrie, sie haben Probleme, ihre Lieder zu vertreiben. „Wir wollten unsere Musik direkt an die Leute verkaufen, die sie interessiert“, sagt Mayer, „ganz nach dem Öko-Bauernhof-Modell“.

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Im Geschäft an der Werderstraße15 können Musikliebhaber nicht nur Kompakt-Platten kaufen

Martina Goyert

Im gleichen Jahr erscheint die Platte „Kompakt Köln präsentiert: Michael Mayer“, über die Jahre entwickelt sich der Stil des Labels. Aus Acid-House und Techno-House entsteht die minimale Spielart der Crew, die in den Medien als „Sound of Cologne“ beschrieben wird. „Das hat uns nie wirklich gepasst“, sagt Mayer, „es gab nämlich nie nur einen Sound of Cologne“. Der Minimal-Techno sei nur eine Facette Kompakts gewesen. Strömungen wie Shuffle-Techno oder Ambient erschienen auch ganz prominent auf dem Label.

Kompakt gehört zur Kölner SzeneTrotzdem: Die Veröffentlichungen auf Kompakt sind gerade zu Beginn der 2000er Jahre einflussreich und werden mit der Zeit auch von anderen Labels und sogar Pop-Produktionen zitiert.

Doch durch das neu gegründete Label und den damit verbundenen Vertrieb wächst Kompakt noch einmal weiter. 2003 folgt der Umzug in das jetzige Gebäude an der Werderstraße. Im Keller ist genug Platz für die Schallplatten, im Erdgeschoss ein heller Verkaufsraum. Und in den Obergeschossen sind Büros. Rund 25 Menschen arbeiten mittlerweile bei Kompakt, manche sitzen in Berlin. „Aber wir arbeiten immer noch hauptsächlich und mit ganzem Herzen in Köln“, sagt Mayer. Ein Umzug nach Berlin kam für ihn nie in Frage. Zu interessant sei die Szene in und um Köln. Zu gut gehe es dem Label heute. „Ich mochte Berlin sehr gerne, bevor alle da hin gegangen sind. Außerdem sind wir so super schnell in Amsterdam oder in Paris. Hier hat man das Gefühl im Herzen Europas zu sein“, sagt Mayer.

Erfolgreicher denn je

Und der Erfolg des Labels hört nicht auf. Es präsentiert sich und seine DJs regelmäßig auf großen Events in Europa, Michael Mayer spielt Sets überall auf der Welt.

Doch den Bezug zu Köln verliert er trotzdem nicht. „Die Stadt entwickelt sich gerade in eine sehr positive Richtung.“ Erst Anfang Februar verkündete der dänische DJ Kölsch, eines der Aushängeschilder Kompakts, dass er ab dem 27. Februar regelmäßig im Kölner Club Gewölbe auftreten werde. „Mit dem Heinz Gaul, dem Bootshaus, dem Reineke Fuchs und so vielen anderen tollen Clubs gibt es einfach eine riesige Auswahl“, sagt Mayer.

Techno im Rheinland

Neben beeindruckenden Clubs und einer florierenden Techno-Szene gehört Kompakt nun schon seit mehr als zwei Jahrzehnten fest zur Stadt und ihren DJs. Die Platten des Labels und vieler anderer Musik-Marken werden aus Köln vertrieben und landen überall auf der Welt. Ausschlaggebend für Mayer ist das Konzept: Die meisten Kompakt-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter produzieren selbst, beschäftigen sich viel mit der Musik, die sie verkaufen. Ihnen geht es nicht nur um das Geschäftliche. „Wir sind selbst die Zielgruppe“, bringt es Mayer auf den Punkt.

Deswegen steht er auch manchmal im Laden in der Werderstraße an einem der vielen Plattenspieler, die im Geschäft verteilt stehen, und hört sich gemeinsam mit seinen Kolleginnen und Kollegen neue Veröffentlichungen an. Was ihm gefällt, spielt er dann möglicherweise beim nächsten Auftritt in Georgien, Spanien oder Schweden.