geschrieben von Lukas Hansen

Kraftwerk im Kinderzimmer
Anja Schneider aus Bergisch Gladbach ist eine weltweit gefragte DJ-Ikone. Inzwischen lebt sie mit ihrem kleinen Sohn in Berlin

Kraftwerk im Kinderzimmer von Lukas Hansen

Anja, wo habe ich Dich gerade hergeholt?

Aus der Badewanne. Es ist Montag, das ist mein Sonntag. Auch wenn ich, offengestanden, dieses Wochenende frei hatte.

Was machst Du so, wenn du frei hast?

Ach, was alle machen. Ich versuche, auszuschlafen, was aber nicht mehr so richtig geht. Ich mache die Wohnung sauber, gehe einkaufen, mache Wäsche, staubsauge. Und dann dachte ich mir heute: bade ich mal.

Wenn Du in einem Satz beschreiben müsstest, was Du beruflich machst…

Würde ich sagen: Tanzmusik. Ich versuche schon immer Soul reinzulegen, so, dass man nicht mehr stehen will, sondern sich bewegen muss. Das ist dann House, Disco, Techno. Ich versuche, Leuten eine gute Zeit zu geben wenn sie ausgehen.

Wie hast Du Deine Karriere begonnen?

Ich habe eine ganz klassische Ausbildung gemacht, in Köln studiert und hatte von Anfang an diesen Hang zu elektronischer Musik. Kraftwerk hat mich sehr beeinflusst, die habe ich schon im Kinderzimmer gehört. Und dann ging es los, so Ende der 80er. Ich hatte das Glück, in Köln an den Ringen um die Ecke von einem der angesagten Plattenläden zu arbeiten. Daran bin ich immer in der Mittagspause vorbeigeschlichen, bis ich mich dann irgendwann reingetraut habe. Und war dann tatsächlich das erste Mal in Köln aus. Ende der 80er gab es den Rave Club, in dem Hans Nieswandt aufgelegt hat. Das war die Initialzündung.

Und dann kam Berlin…

Ich hatte viel darüber gelesen und entschieden, meine erste Reise dorthin zu machen. Ich hatte mir aufgeschrieben, wo ich hin will. Vor allem aber in den legendären Tresor-Club. Zuerst war ich im falschen Raum, einige Stunden lang. Dann nahm mich jemand bei der Hand und ging mit mir um die Ecke, da ging so eine ganz schmale Treppe runter. Und mit jeder Stufe roch ich den Schweiß und hörte den Bass – eine musikalische Offenbarung. Anschließend bin ich relativ schnell nach Berlin gezogen.

Hast Du gleich als DJ gearbeitet?

Nein, ich habe beim Radio angefangen, war zuständig für elektronische Musik – aber eher hinter den Kulissen. Ich habe viel für die DJs im Radio gearbeitet. Irgendwann wurde ich gefragt: Warum machst du keine Sendung? Also habe ich es versucht – was eigentlich das Beste war, was ich je gemacht habe. Irgendwann kamen Anfragen für Club-Partys.

Jetzt bist Du weit über Berlin hinaus bekannt. Wie sieht Deine Durchschnittswoche aus?

Unter der Woche bin ich in Berlin, im Büro oder im Studio – und ab halb vier für meinen Sohn da. Am Wochenende reise ich in Clubs irgendwo auf der Welt. Aber ich bin immer die, die den ersten Flieger nach Hause nimmt, und den ersten hin. Mit einem guten Team lässt sich das super organisieren.

Zurück zu Rio, Deinem Sohn. Mutter und DJ – wie geht das zusammen?

Das ist eine Frage, die komischerweise nur Frauen gestellt wird. Dabei gibt es doch auch viele männliche Kollegen mit Kindern. Tatsächlich bedeutet es sehr viel Organisation. Unter der Woche bin ich komplett da und flexibel. Rio hat es von Anfang an mitbekommen, dass ich am Wochenende weg bin. Aber ich nehme mir, nach Möglichkeit, ein Wochenende im Monat frei. Doch ohne die Hilfe meiner Familie würde das nicht gehen. Alles unter einen Hut zu bekommen, ist aber auch das Spannende in meinem Leben – und das Reisen. Das gibt mir immer wieder neuen Input. Dafür bin ich dankbar.