geschrieben von Agatha Mazur

Wenn der Lebensstil gefährlich wird
Ein Interview mit Dr. Gereon Fink, dem Leiter der Neurologie der Uniklinik Köln

Wenn der Lebensstil gefährlich wird von Agatha Mazur

Wie häufig kommt ein Schlaganfall bei jüngeren Menschen vor?

Gereon Fink: Schlaganfälle sind bei jüngeren Menschen deutlich seltener als bei älteren: Auf 100.000 Menschen zwischen 18 bis 24 Jahren kommen circa fünf Schlaganfälle im Jahr. Würden in Köln nur 18- bis 24-Jährige leben, würden statistisch gesehen rund  50 von ihnen im Jahr einen Schlaganfall erleiden. Mit zunehmendem Alter nimmt das Risiko zu: Von 100.000 Menschen zwischen 45 und 54 Jahren bekommen laut Statistik 100 im Jahr einen Schlaganfall, also direkt 20-mal so viele. Es gibt aber auch Schlaganfälle bei Kindern. Meine jüngste Schlaganfallpatientin war 14 Jahre alt.

Führen bei jüngeren Menschen andere Gründe zu einem Schlaganfall als bei älteren?

Die Gründe für einen Schlaganfall ergeben sich grundsätzlich aus Gefäßrisikofaktoren: Erhöhter Blutdruck, Blutfette und Blutzucker, auch Übergewicht, Rauchen und Gerinnungsstörungen. Viele Ursachen, die zu einem Schlaganfall führen können, kann man also auf den Lebensstil zurückführen. Das ist bei jungen Leuten nicht anders als bei älteren. Aber abgesehen davon gibt es auch spezifische Gründe für Schlaganfälle im jüngeren Alter. Einmal spielen genetische Faktoren eine Rolle, zum Beispiel eine Bindegewebsschwäche, die zum Einriss der Gefäßwand – einer Dissektion – führen kann. Oder eine angeborene Schwäche der Gefäßwand, die eine Gefäßaussackung – ein sogenanntes Aneurysma – zur Folge haben kann. Bei jüngeren Schlaganfallpatienten findet man diese Faktoren häufiger als bei älteren. Auch eine angeborene Thromboseneigung erhöht das Risiko für jüngere Menschen.

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schlaganfall
Gereon Fink

Universitätsklinik Köln

Kann auch die Einnahme der Pille das Risiko erhöhen?

Es ist bekannt, dass durch die Einnahme der Pille, also von oralen Kontrazeptiva, das Thromboserisiko steigt – was ein erhöhtes Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle nach sich zieht. Das Risiko steigt außerdem, wenn man raucht oder Bluthochdruck hat. Es gibt also einen guten Grund, dass Sie für die Pille ein Rezept benötigen und sie nicht einfach so in der Apotheke kaufen können: Da sollte ein Arzt den Blutdruck kontrollieren oder nach einem erhöhten Thromboserisiko Ausschau halten. Auch für Diabetikerinnen oder Frauen mit einer speziellen Form der Migräne ist die Einnahme der Pille mit einem erhöhten Schlaganfallrisiko verbunden.

Warnen Sie vor der Pille?

Nein – nicht generell. Das Risiko ist erhöht, aber nur minimal, das möchte ich betonen. Auf 10.000 Frauen gibt es statistisch gesehen zwei zusätzliche Schlaganfälle durch die Einnahme der Pille. Die Zahlen sind für sich also kein Grund zur Beunruhigung. Panik vor der Pille zu machen wäre dementsprechend falsch, aber wenn ich übergewichtig bin und rauche, sollte ich mir des erhöhten Schlaganfall-Risikos bewusst sein.

Zur Person

Gereon Fink ist Leiter der Neurologie der Uniklinik Köln. Darüber hinaus arbeitet er am Institut für Neurowissenschaften und Medizin des Forschungszentrums Jülich und engagiert sich als Präsident der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. Fink hat an der Uni Köln promoviert und ist seit 2015 Prodekan der medizinischen Fakultät. Seine Arbeitsschwerpunkte sind unter anderem Schlafanfall, Neurorehabilitation und Neurologische Bewegungsstörungen.